Selbstgewählte Veränderungen geben uns Schwung. Sie können uns sogar richtiggehend beflügeln. Ganz anders sieht es aus, wenn wir uns auf etwas Neues einstellen müssen, weil es von außen oder „von oben“ vorgegeben wurde. Damit tun wir uns schon sehr viel schwerer!
Noch krasser ist das bei Krisen. Denn jetzt spielen Unsicherheiten, Ängste und Stress eine enorme Rolle. Das Besondere an Krisen: Wir werden zum Handeln gezwungen, um etwa Gefahren abzuwenden oder Schaden zu begrenzen, und das bei unklarer Perspektive, denn wir wissen am Anfang nicht, wo uns das hinbringen wird.
Darum geht's hier
Der Krisen-Fahrplan
Unter Belastungen reagiert jeder Mensch anders. Trotzdem gibt es so etwas wie einen „Fahrplan“ oder Ablauf, den wir in Krisen mehr oder weniger intensiv durchlaufen. Wir verdanken ihn der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross.
Kübler-Ross erkannte verschiedene Phasen, die schwerkranke Menschen im Umgang mit ihrer Diagnose durchliefen: Nicht-wahrhaben-wollen -> Zorn -> Verhandeln -> Depression -> Akzeptanz. Dieser „Krisen-Fahrplan“ wurde auf Veränderungsprozesse angepasst, dem sog. Change-Modell:
Phase 1: Nicht sein kann, was nicht sein darf!
Das ist die sogenannte Schockphase. Uns hat – oft völlig unvorbereitet – eine Information erreicht, die unser bisheriges Arbeits-/Leben ins Wanken bringt. Etwa, wenn Sie erfahren, …
- dass Ihr Betrieb an einen weit entfernten Standort verlagert wird.
- dass Ihre Firma Stellen abbaut und Ihnen die Entlassung droht.
- dass sich Ihr Partner trennt.
- dass Sie schwer erkrankt sind.
- dass ein geliebter Mensch plötzlich gestorben ist.
Diese Ereignisse können uns mit solcher Wucht treffen, dass wir das Gehörte nur abstrakt zur Kenntnis nehmen. Wir sind in einer Art Schockzustand wie eingefroren.
Wir können nicht glauben, was wir gehört haben und hoffen, dass uns jemand kneift, damit wir aufwachen. Je nachdem woher die Nachricht stammt, reden wir uns ein, dass das nur ein Gerücht ist, verdrängen oder ziehen es zumindest in Zweifel.
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Phase 2: Nicht mit mir!
Dann kommt der Moment, da ist es amtlich! Die Veränderung lässt sich nicht mehr leugnen.
Je nach Typ fühlen wir uns der Situation eher macht- und schutzlos ausgeliefert und reagieren mit depressivem Schmollen. Oder genau anders herum: Wir stellen uns trotzig und wütend gegen das Unabänderliche.
Diese Phase ist total menschlich. Wir sind überwältigt und kämpfen passiv oder aktiv gegen die Veränderung an. Genau das kann aber auch wie ein Sprungbrett für die nächste Phase wirken, nämlich dann, wenn wir diese Stimmung zulassen, ohne uns aber darauf zu versteifen.
Andernfalls laufen wir Gefahr, uns als Opfer zu sehen und entweder passiv-abwartend zum Spielball zu werden, zu resignieren, oder – und das ist genauso ungünstig – eine dauerhafte Trotz- bzw. Antihaltung zu entwickeln. Beides würde in eine Sackgasse führen.
Phase 3: Was ist für mich drin?
In dieser Phase kommen wir an, sobald wir die Gegebenheiten – und damit auch Trauer und Verlust – zulassen können. Diese Gefühle sind nicht ständig da, sondern poppen wie von alleine und ungesteuert in Intervallen, manchmal sogar in den „unpassendsten“ Momenten hoch.
Wichtig ist, zu verstehen, dass wir nicht linear Phase für Phase durchlaufen, sondern dass wir oft zwischen den Phasen hin- und herwechseln. Wir gehen zwei Schritte vor und einen zurück, wechseln also immer wieder mal zwischen Kampf bzw. Depression (Phase 2) und dem Spüren unseres Verlustes (Phase 3).
Im optimalen Fall setzen wir uns immer häufiger mit der neuen Situation auseinander, während die Schmoll- und Trotzphasen immer kürzer werden.
Unser Interesse daran, wie die neue Zukunft für uns aussehen könnte, wird stärker und wir werden aktiv, indem wir z. B. Informationen einholen, nach guten Wegen und Lösungen für uns suchen und uns dafür einsetzen.
Phase 4: Angekommen im Leben nach der Krise
Der Schritt der Veränderung ist vollzogen. Wir beginnen, uns in einem neuen Alltag zurechtzufinden.
Jetzt können wir Vor- und Nachteile sehen im Vergleich zu „früher“. Auch hier ist es so, dass wir nicht linear voranschreiten. Wir erleben Fortschritte, Momente in denen wir uns freuen und in denen das Früher nicht vorkommt. Und es gibt Trauerphasen, die uns scheinbar zurückwerfen. Aber diese Wechselbäder gehören zum Abnabelungsprozess.
Trauern ist gesund,
solange wir es nicht kultivieren und aufrechterhalten wollen.
Das Geschenk der vierten Phase ist, dass wir jetzt erkennen können, was wir selbst geleistet haben, um die Veränderung aktiv und unter Berücksichtigung der eigenen Interessen zu vollziehen.
Der Krisenfahrplan kann uns zu verstehen helfen: Uns selbst und andere
Pendeln zwischen den Phasen: Generell gilt, dass wir nicht alle Phasen Schritt für Schritt durchlaufen, sondern vor und zurück pendeln. Genauso müssen wir nicht zwangsläufig durch alle Phasen durch. Manche Menschen lieben die Veränderung mehr als den Status quo. Sie können sich schneller auf neue Bedingungen einstellen und sogar dafür begeistern oder neue Chancen für sich darin erkennen.
Wir haben Einfluss auf den Krisenverlauf: Der „Krisenfahrplan“ zeigt uns, welchen Einfluss wir auf unser Krisenerleben haben und welche Phasen wir bei der Bewältigung durchlaufen.
Jeder trauert auf seine Weise: Das Phasen-Modell hilft uns dabei, einzuschätzen, wo wir bzw. wo andere gerade stehen. Das macht das Change-Modell so wertvoll. Wir können besser verstehen, dass jeder auf seine Weise mit einer Krise umgeht und eben auch seine eigene Zeit dafür braucht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Verständnis und Toleranz im Umgang mit sich selbst und gegenüber Ihren Mitmenschen in akuten Krisensituationen.
Ihre Karin Vittinghoff
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Danke, ein Artikel der Mut macht!